Wetter(un)glück in Fjordnorwegen
- Ursina Candraja
- 6. Juli 2024
- 6 Min. Lesezeit
Wir nahmen die Fähre von Dänemark nach Bergen, da wir den südlichsten Teil von Norwegen bereits vor zwei Jahren bereist hatten und fuhren im Zickzack durch die bekanntesten Fjorde nach Trondheim. Nach dem bereits wechselhaften Wetter in Mitteleuropa schien uns das Wetterglück in Norwegen definitiv verlassen zu haben. Die wankelmütigen Wetterapps machten es uns zusätzlich so schwer wie noch nie, aber irgendwie schafften wir es dann doch die schönsten Fjorde und besondersten Tiere ohne Regenschutz bewundern zu können.
Mit einem Zwischenhalt in Stavanger brachte uns unsere Fähre zuverlässig und pünktlich in den Hafen von Bergen. Bereits in Stavanger begrüsste uns Norwegen mit nur wenig Sonnenschein und etwas mehr Regen, was sich gemeinsam zu einem riesigen, doppelten Regenbogen vereinte.

Bergen
Nach einer kurzen Runde durch Bergen und einem Lachsbrötchen am Hafen lenkten wir unser trotz der Reparatur nach dem Autounfall nicht mehr ganz dichtes Reisemobil auf den Bratland Camping und suchten erstmal mithilfe von Gaffa-Tape im Regen nach dem Leck. Dann verkrochen wir uns mit zeltenden Fahrrad- und Motorradfahrern in den gemütlichen Aufenthaltsraum. Wir verzichten auf unserer Reise bereits auf viel Komfort, aber was die Reisenden auf nur zwei Rädern leisten, ist nochmals eine ganz andere Nummer und verdient Respekt. Während es bei schönem Wetter und angenehmen Temperaturen sicher ein wunderbares Erlebnis ist ständig draussen zu sein, ist es bei tagelangen tiefen Temperaturen und Dauerregen eine echte Herausforderung.
Mit dem Bus machten wir uns am nächsten Tag auf Bergen noch weiter auszukundschaften. Wir spazierten durch malerische Wohnquartiere und fuhren nach einem für Patrick dringend nötigen Aufenthalt in einem Barbershop mit der Standseilbahn Floibanen zur Bergstation, von wo sich uns eine grandiose Aussicht auf die Stadt eröffnete. Nach einer erneuten Stärkung mit ein paar Scheiben Lachs vom Fischmarkt wurden wir mit dem zweiten Regenbogen über dem historischen Hanseviertel Bryggen von Bergen, dem Tor zu den norwegischen Fjorden, verabschiedet.
Fjorde
Von Bergen ging es zuerst in Richtung Osten zum Hardangerfjord und dessen Seitenarm, dem Eidfjord. Vor und nach der leider nebligen und regnerischen Fahrt entlang der Fjorde gab es gleich drei Wasserfälle zu besichtigen. Beim wilden Steinsdalsfossen kann man auf einem Fussweg hinter dem Wasservorhang durchlaufen. Den Voringsfosssen kann man über Stege, Brücken und Treppen aus verschiedenen Perspektiven und am späteren Abend sogar ohne Gedränge von den schönsten Aussichtspunkten bewundern. Am schwersten machte es uns das Wetter beim dritten Wasserfall, dem Skjervefossen, an dem wir über eine Brücke vorbeifuhren und den wir etwas weiter oben auch von der Seite betrachten konnten. Erkennen konnten wir den Wasserfall auch im Nebel und Regen, aber Patrick reichte das natürlich nicht und so harrten wir zuerst einmal auf dem Parkplatz aus und vertrieben uns die Zeit mit mehreren, nicht unbedingt nötigen Besuchen der wunderschönen Toiletten. Nach einer Fahrt in die nächste Ortschaft und einem kleinen Mittagessen wiederholten wir das Ganze und irgendwann hatten wir Glück und in einer kleinen Regenpause konnte unser kurzes Drohnenvideo endlich entstehen.
Auf der Fährfahrt von Gudvangen nach Kaupanger kombinierten wir gleich drei Fjorde: den schmalen Naeroyfjord, den Aurlandsfjord und den breiten Sognefjord. Dabei bewunderten wir die Landschaft nicht nur von Deck aus, sondern durften auch zum Kapitän auf die Brücke, welcher sich viel Zeit nahm uns alle Knöpfe, Hebel und Apparaturen zu erklären.
Nach einem Zwischenhalt bei der Stabkirche von Kaupanger und einem Aussichtspunkt auf den Boyabreen Gletscher fanden wir einen wunderschönen Schlafplatz an einem Fluss. Die neugierige Kuhherde, welche die Flussebene nicht eingezäunt nach Lust und Laune durchstreifen konnte, wählte für ihr Abendessen und die Nachtruhe, wie kann es anders sein, den gleichen Flussabschnitt wie wir. Mit den Kühen, die unseren Campingtisch und unser Auto gründlich inspizierten, fiel uns allen das Einschlafen nicht gerade leicht, aber wenigstens liessen sie die Leiter, welche unser Dachzelt stützte, in Ruhe.
Am frühen Morgen bahnten wir uns einen Weg durch die Kühe und fuhren weiter zum Innvikfjord, einem der vielen Arme des gut 100 km langen Nordfjords. Nach einem kurzen Abstecher und einer kleinen Wanderung zum Briksdal Gletscher legten wir wetterbedingt auf dem Sande Camping am Lovatnet See eine sowieso nötige Dusch-, Wasch-, Lern- und Angelpause ein. Bevor wie den Innvikfjord verliessen, bewunderten wir ihn während einer Wanderung nach Rakssetra auch noch von oben.
Wenn wir schon eine Fährfahrt durch den berühmten Geirangerfjord machten, dann wollten wir ihn dabei auch sehen und nicht nur Nebel und Regentropfen. Die Wetterapps, welche jeden Tag eine andere Prognose zeigten, machten es uns wirklich nicht leicht, aber nach einer eiskalten, regnerischen Nacht auf einem Campingplatz mit Aufenthaltsraum statt einem noch höher gelegenen Wildplatz, hatte sich das Warten mit beharrlichem Checken der Wetterprognose zu guter Letzt doch noch gelohnt und nach Fotostops beim Flydalsjuvet und Ornesvingen Aussichtspunkt genossen wir endlich unsere Fjordfahrt von Geiranger nach Hellesylt.
Von Papageientauchern zu Moschusochsen
Von Hellesylt wählten wir durch unzählige Tunnel den kürzesten Weg zur Vogelinsel Runde. Dort ergatterten wir auf dem einzigen Campingplatz den letzten Platz auf einem Reservestellplatz und waren wiedermal erstaunt über das bereits in der Vorsaison hohe Touristenaufkommen. Der Campingplatz war der perfekte Ausgangspunkt zu den Wanderwegen zum Leuchtturm und den Vogelfelsen, die insbesondere für die grosse Papageientaucherkolonie bekannt sind. Am Besten lassen sich die Papageientaucher am Abend beobachten und demzufolge versammelten sich dann dort nicht nur die meisten Gäste des Campingplatzes, sondern auch noch zahlreiche Tagestouristen. Obwohl diese kleinen Vögel unglaublich herzig sind, war mir dieser Menschenauflauf nach der idyllischen Rundwanderung zum Leuchtturm etwas zu viel. Nachdem wir die Jungs nach Elf ins Dachzelt verdonnert hatten, genossen Patrick und ich den Sonnenuntergang um Mitternacht ganz alleine ohne Kinder und Fotokamera auf einem grossen Felsbrocken am Meer.
Auf dem Weg von der Insel Runde ins Landesinnere machten wir noch einen kleinen Abstecher nach Alesund. Nach dem Besuch des Atlantikparks, in welchem wir in verschieden grossen Aquarien die einheimischen Fische kennenlernten, besichtigten wir die Stadt vom Hausberg Aksla von oben und bei einem Spaziergang am Hafen und durch die Gassen. Obwohl die „Fish and Chips“ bei einer Imbissbude sehr verlockend aussahen, verzichteten wir wegen strömendem Regen und kalten Temperaturen darauf und suchten uns ein Plätzchen in einem warmen Pub, bevor wir am Romsdalsfjord einen ruhigen Schlafplatz fanden, an dem uns am nächsten Morgen die Sonne nach einer kalten Nacht wieder aufwärmte.
Unser nächster Abstecher zur bekannten Passstrasse Trollstigen endete, bevor er überhaupt angefangen hatte, da sie gerade wegen Steinschlag bis auf Weiteres durch eine Barriere gesperrt worden war. Nicht einmal unsere Drohne ermöglichte uns mehr als die untersten Haarnadelkurven der Strasse zu sehen, aber zeigte uns zumindest die wunderschöne Aussicht ins Tal. Zum Glück war die Trollstigen aber kein Teil unserer Hauptroute, sondern nur als Abstecher geplant und so mussten wir uns nicht wie andere Reisende den Kopf über Landkarten zerbrechen, sondern fuhren schon etwas früher als geplant weiter.
Unser eigentliches Tagesziel war der Dovrefjell Nationalpark. Während wir auf der Autofahrt noch spekulierten, ob wir einen Moschusochsen zu Gesicht bekommen werden, rief Patrick schon ganz aufgeregt, dass ich beim nächsten Ausstellplatz rausfahren müsse. Er hatte bereits einen dieser eindrücklichen Riesen gesichtet, deren einzige grössere, gesunde Population Europas in diesem Nationalpark heimisch ist. Bis wir vom Parkplatz wieder auf die Höhe des Moschusochsen zurückgelaufen waren, war er nur noch als kleiner Punkt in weiter Ferne zu sehen. Vom Snohetta Aussichtspunkt genossen wir hinter und vor den Glasscheiben eine wunderschöne Aussicht, aber trotz des grandiosen Ausblicks konnten wir durch unser Fernglas leider keine Tiere erspähen.
Wir gaben aber natürlich nicht auf und schliefen auf dem Wanderparkplatz am Moschusochsentrail um uns am frühen Morgen wieder auf die Suche zu machen. Weit mussten wir nicht wandern um die ersten zwei Exemplare durch unsern Feldstecher beobachten zu können. So schnell sie in der Ferne aufgetaucht waren, verschwanden sie aber auch wieder in einer Senke und kamen nicht wieder zum Vorschein. Als wir wegen dunkeln, aufziehenden Wolken auf dem langen Rundweg schon Richtung Parkplatz umkehren wollten, trafen wir ein junges, deutsches Pärchen und liefen trotzdem noch ein Stück mit ihnen weiter, da sie von einem guten Platz etwas weiter gelesen hatten. Wir kamen aber nicht weiter als um den nächsten Hügel, wo wir von einem lauten, bedrohlichen Schnaufen gestoppt wurden. Wir hatten einen gigantischen Moschusochsen bei seinem Nickerchen auf einem kleinen Schneefeld gestört und da wir den auf allen Infotafeln geforderten Sicherheitsabstand von 200 m bei Weitem nicht einhielten, traten wir mehr oder weniger langsam den Rückzug an. Den Moschusochsen schien unsere Anwesenheit aber nicht weiter zu stören und er graste noch ausgiebig, bevor er den Wanderweg kreuzte und seinen Weg gemächlich fortsetzte. Alle zusammen machten wir uns nach dieser aussergewöhnlichen Beobachtung auf den Rückweg zum Parkplatz.
Trondheim
Nach eindrucksvollen Naturerlebnissen stand in Trondheim wieder eine Stadtbesichtigung auf dem Programm. Durch die Gassen wehte ein eiskalter Wind, der das Sightseeing nicht gerade angenehm machte. Zum Glück mussten wir noch ein paar Besorgungen erledigen und konnten uns zwischendurch in einem Geschäft aufwärmen, bevor wir unsere Runde von den Speicherhäusern an der Nidelva zur eingerüsteten Festung Kristiansten und dem imposanten Nidarosdom fortsetzten. Obwohl Bergen eine sehr schöne Stadt ist, fühlten wir Kleinstädter uns im beschaulichen Trondheim noch wohler. Nach der Entdeckung eines Fahrradlifts, den wir zwar nicht selber ausprobieren konnten, aber bei dem das Beobachten der überforderten Touristen schon genug unterhaltsam war, schauten wir beim Public Viewing noch mehr Männern beim Sport zu, bis es uns nach einer Halbzeit und einem Möwenkot auf Patricks Jacke zu kalt wurde. Leider fanden wir auch auf dem Flakk Camping keinen Ort um uns aufzuwärmen, da die Küche mit Esstischen zwar Windschutz bot, aber unbeheizt und offen war. Begleitet vom kalten Wind und Regenschauern ging es dem Trondheimfjord entlang weiter zur traumhaften Küstenstrasse Fv17 und auf die Lofoten, über die ich euch im nächsten Blogbeitrag mehr erzählen möchte.