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Im hohen Norden ans Ziel...

Aktualisiert: 21. Sept. 2024

...aber noch nicht ans Ende unserer Reise. Nach einer erlebnisreichen Fahrt von Tromso über Alta zur Insel Mageroya haben wir das Nordkap genau 100 Tage nach unserem Start am südlichsten Punkt Europas auf der griechischen Insel Gavdos erreicht. Damit war unsere Reise allerdings noch nicht beendet und uns blieben noch drei Wochen für die Heimreise durch Finnland. Bevor wir Norwegen aber verliessen, hatten wir im „Land der Samen“ nicht nur unvergessliche Begegnungen mit ihren Rentieren, sondern auch mit einem Küstensamen.



Tromso


Nach der abendlichen Fährfahrt von der Insel Senja nach Brensholmen haben wir am Ende des Fjords auf einem grossen Wildcampingplatz eine ruhige Nacht verbracht. Am nächsten Morgen machten wir uns schon früh auf den Weg Richtung Tromso und trauten zuerst unseren müden Augen nicht, als uns in Kvaloysletta mitten auf einem Kreisel unsere ersten Rentiere begegneten. Wir kehrten bei der nächsten Gelegenheit um und fanden an der Strasse, die vom Kreisel den Hügel hinaufführte auch noch den Rest der kleinen Herde. Wie versprochen besuchten wir in Tromso direkt Hilde, welche wir am Fährhafen von Andenes kennengelernt hatten, und durften die nächsten zwei Nächte nicht nur in ihren Gästezimmern schlafen, sondern wurden von ihr auch noch mit fantastischen Fischmenüs und Waffeln verwöhnt. Ihre Gastfreundschaft und Herzlichkeit zu erleben war unglaublich schön und nach vielen kalten und nassen Nächten im Dachzelt genossen wir es alle sehr wieder einmal nicht auf dem Dach, sondern mit einem Dach über dem Kopf zu schlafen.



Hilde beherbergte und bekochte uns nicht nur, sondern fuhr uns auch noch ins Zentrum von Tromso, wo wir unsere Stadtbesichtigung mit einem Besuch von Polaria starteten. Polaria ist ein Museum über die Arktis, ihre Bewohner und die Veränderungen aufgrund des Klimawandels. Im dazugehörigen Panoramakino werden schöne Filme über Spitzbergen und Nordlichter gezeigt. Für die Fische aus der Barentssee und die Robben entstehen auf der Baustelle neben dem Museum gerade grössere Aquarien und Becken. Nach einer anschliessenden, kleinen Runde am Hafen von Tromso liefen wir über die windige Tromso-Brücke zur Eismeerkathedrale.



Am nächsten Tag begleitete uns Hilde mit der Fjellheisen Seilbahn auf den Hausberg Storsteinen und wir genossen mit ihr draussen in der Kälte und drinnen bei einer heissen Schokolade die Aussicht auf Tromso und das Umland. Beim anschliessenden Besuch des weitläufigen botanischen Gartens mit arktischen, antarktischen und alpinen Pflanzen von allen Kontinenten sahen wir mehr verschiedenen Blumen als auf unserer ganzen Reise.



Nach einem letzten gemeinsamen Frühstück hiess es „Auf Wiedersehen“ sagen, in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen. Es sind nicht nur traumhafte Orte, Familienmomente und gemeinsame Erlebnisse, die unserer Reise unvergesslich machen, sondern auch aussergewöhnliche Begegnungen mit besonderen Menschen. Tusen takk Hilde!



Riddu Riddu


Unser nächstes Ziel war das Riddu Riddu Festival in Manndalen. Auf dem Weg genossen wir aus dem Auto und von unseren zwei letzten norwegischen Fähren die schöne Landschaft und die Berge, soweit wir sie in den Wolken erkennen konnten. Auch von unserem Schlafplatz in der Nähe von Olderdalen hatten wir eine fantastische Aussicht, welche wir je später der Abend wurde mit immer mehr Campern und zeltenden Fahrradfahrern teilen durften.



Für das Riddu Riddu Festival machten wir von dort einen kleinen Abstecher südwärts nach Manndalen. Das Riddu Riddu ist ein samisches Musik- und Kulturfestival, bei dem jedes Jahr zusätzlich auch andere indigene Völker vertreten sind und ihre Kultur auf verschiedene Arten präsentieren. Es bietet ein umfangreiches Programm für die ganze Familie, welches Aufführungen, Konzerte, Workshops, Filme, politische Diskussionen und Aktivitäten für Kinder beinhaltet. Wir besuchten das dreitägige Festival am ersten Tag, an dem das Festgelände zuerst noch recht ruhig war, sich aber während den abendlichen Konzerten mit Samen und Besuchern aus der ganzen Welt füllte. Es herrschte eine sehr entspannte Atmosphäre und die Kinder konnten das Einfangen von Rentieren an aufgestellten Geweihen üben, Holz hacken, Hütten bauen, basteln und Stockfische weichklopfen. So kamen wir auch endlich in den Genuss von getrocknetem Stockfisch, dessen Preise uns in den Geschäften vom Kauf dieses norwegischen Snacks abgehalten hatten. Der Geruch (um nicht Gestank zu sagen) verfolgte uns danach noch tagelang. Meine kleinen und grossen Jungs waren beim Klopfen etwas übermotiviert und wir durften eine schöne Portion Trockenfisch im Kinderrucksack mit in unser Auto nehmen. Obwohl wir den Rucksack am nächsten Tag auf das Autodach verbannten, hielt sich das Fischaroma hartnäckig. Sonst nahmen wir aber auch viele schöne Erinnerungen vom Riddu Riddu mit, bei welchem wir einen ersten Einblick in die Handwerkskunst der Samen, ihre ursprünglichen Behausungen und ihren eindringlichen, traditionellen Gesang, den Joik, erhalten durften.



Als kleine Hörprobe folgt der Link zu einem Lied einer bekannten samischen Sängerin, die den traditionellen Joik-Gesang mit Jazz, Folk und Rock kombiniert und am diesjährigen Riddu Riddu aufgetreten ist.



Alta


In Alta legten wir den letzten längeren Stopp vor dem Nordkap ein und entflohen zuerst im Hallenbad neben der modernen Nordlichtkathedrale dem schlechten Wetter. Ein Hallenbad ist für uns eine super Alternative zu einem Campingplatz. Zusätzlich zu einer warmen Dusche bot das Hallenbad in Alta unseren Kindern angenehm temperierte Schwimmbecken mit einer Wasserrutsche, Sprungtürmen, einer kleinen Kletterwand und einem kurzen Ninj-Parcours und Patrick und mir zwei Jacuzzis und eine Saunalandschaft. Die Saunas sind in Norwegen in die Hallenbäder integriert und können in Badebekleidung von der ganzen Familie genutzt werden. Frisch und erholt fanden wir in der Nähe von Alta einen malerischen Schlafplatz an einem kleinen See im Wald und stimmten uns schon einmal auf die typische Landschaft von Finnland und die dazugehörigen Mücken ein.



Vor der Weiterreise Richtung Nordkap besuchten wir das Alta Museum, dessen grösste Attraktion prähistorische Felszeichnungen sind. Bei einem kleinen oder grösseren Rundgang lassen sich die 2000-7000 Jahre alten Ritzungen, welche teilweise mit Farbe besser kenntlich gemacht wurden, besichtigen. Dazwischen werden ein paar Aktivitäten für Kinder angeboten, welche aber grösstenteils nicht im Museumseintritt enthalten sind.



Nordkap


Auf der Weiterfahrt zur Nordkapinsel Mageroya wurde die Landschaft immer weniger besiedelt und karger mit geringer Vegetation, aber immer mehr Rentieren, welche sich weder von Menschen noch Autos aus der Ruhe bringen liessen. Auch wenn diese Einöde auf den ersten Blick etwas langweilig erscheinen mag, übte sie auf uns eine ganz eigene Faszination aus und wirkte beinahe etwas unwirklich.



Gegen Mitternacht erreichten wir Skarsvag und machten einen kleinen Nachtspaziergang zum Kirkeporten, von wo wir das Nordkap bereits von weitem sehen konnten.



Bevor es zum Nordkap ging, begaben wir uns am folgenden Tag auf eine fünfstündige Wanderung zum „richtigen“ nördlichsten Punkt Europas (ohne Spitzbergen, Nowaja Semlja und Franz-Josef-Land), dem Knivskjellodden. Obwohl das Nordkap sehr gut und effektiv als nördlichster Punkt Europas vermarktet wird, ist es das genau genommen nicht und ragt 1400 m weniger weit nördlich ins Meer als die benachbarte Knivskjellodden Landzunge. Im Gegensatz zum Nordkap waren wir dort fast alleine und wurden am Ziel nur von wenigen anderen Wanderern und einer kleinen Gruppe Rentiere begrüsst. Wir genossen die Ruhe und die Aussicht auf das Nordkap von der anderen Seite als in der Nacht, bis die Temperatur immer mehr fiel, der Wind eisiger und der Nebel dichter wurde. Von einem norwegischen Wanderer erfuhren wir, dass bei diesem Trail die meisten Einsätze des Rettungsdienstes notwendig sind. Dies ist wahrscheinlich hauptsächlich auf das unberechenbare Wetter im hohen Norden zurückzuführen, da die Wanderung zwar lang, aber nicht schwierig ist.



Nach einer eiskalten Nacht war es am nächsten Tag soweit. Genau 100 Tage nach unserem Start am südlichsten Punkt Europas auf der griechischen Insel Gavdos fuhren wir zum weltbekannten Stahlglobus auf dem Nordkap und durften mit unserem Parkticket 24 Stunden auf dem Gelände bleiben und mit einem weiteren Ticket die Nordkaphalle betreten. Der Parkplatz ist zwar voll und zusätzlich werden noch die Passagiere von riesigen Kreuzfahrtschiffen mit Carkarawanen zum Nordkap gebracht, aber für uns war es trotzdem ein wunderschöner, fast magischer Ort und nicht nur die Erfüllung unseres Reisetraums. Die Besucher posieren strahlend mit ihren Familien, Haustieren, Maskottchen, Fahrrädern und Motorrädern vor dem Stahlglobus. Sie spielen ein Instrument, jonglieren oder verrenken sich auf andere Arten auf dem Sockel und haben alle ihre ganz eigene Geschichte, die sie zum fast nördlichsten Punkt Europas geführt hat. Obwohl die Wetterprognose nicht besser hätte sein können, wollte sich der Nebel am Nordkap nicht ganz verziehen und wurde zuerst sogar immer dichter. Zum Glück konnten wir uns immer wieder in der Nordkaphalle aufwärmen, auf der grossen Leinwand des Kinos die Nordkapinsel in allen Jahreszeiten geniessen, durch die Ausstellungen und den Souvenirshop schlendern und uns mit Waffeln und nach dem vierten Anlauf auch mit einem Hotdog stärken. Also falls ihr am Nordkap auch einmal einen Hotdog essen möchtet, müsst ihr euch auf eine lange Wartezeit einstellen. Auf den Heizplatten hat es nur Platz für wenige Würstchen, welche garantiert noch gefroren sind, wenn ihr an der Reihe seid. Wenn die Würstchen dann doch einmal eine geniessbare Temperatur erreicht haben, sind sie sofort wieder verkauft und werden erst nach einer langen Pause wieder nachgelegt. Ich glaube, sie sagen allen Gästen aus Prinzip erst mal, dass es noch 20 Minuten dauert und verweisen auf das bediente Restaurant mit nicht gerade familienfreundlichen Preisen.



Zu später Stunde verzog sich der Nebel doch noch und die Mitternachtssonne schien über dem Nebelmeer durch den Stahlglobus und hüllte das ganze Nordkap in ein traumhaftes Licht. Auf dem Weg zu unserem Dachzelt machten wir noch einen kleinen Umweg zum Denkmal „Kinder der Welt“. Dabei handelt es sich um sieben grosse, runde Bronzereliefs und eine Skulptur von Mutter und Kind. Die Vorlagen für die Reliefs stammten von sieben Kindern aus verschiedenen Teilen der Welt, welche zufällig ausgewählt und 1988 zum Nordkap geflogen wurden. Ziel des Projekts war es zu zeigen, dass Kinder einander verstehen, zusammenarbeiten und gemeinsam Spass haben können, unabhängig von Hautfarbe, Religion und kulturellem Hintergrund. Seither wird am Nordkap jährlich der „Kinder der Welt“ Preis vergeben um eine Organisation, Person oder ein Projekt, das sich für die Verbesserung der Lebensbedingen von Kindern einsetzt, zu unterstützen. „Kinder der Welt“ symbolisiert Zusammenarbeit, Freundschaft, Hoffnung und Glück über alle Grenzen hinweg an einem Ort, an dem täglich hunderte bis tausende Menschen aus der ganzen Welt zusammenkommen.



Nach ein paar Stunden unruhigem Schlaf auf dem grossen Parkplatz, auf dem zu jeder Tages- und Nachtzeit ein betriebsames Kommen und Gehen herrscht, verabschiedeten wir uns bei strahlend blauem Himmel und endlich sommerlichen Temperaturen vom Nordkap und fuhren südwärts der Sonne entgegen.



Auf dem Weg nach Finnland


Etwas übermüdet zog sich die Fahrt in die Länge, bis wir wieder zur Abzweigung auf die Europastrasse 6 kamen, der wir nun weiter Richtung Finnland folgten. Da wir noch zwei kleine Programmpunkte in Norwegen geplant hatten, begannen wir mit der Suche nach unserem letzten norwegischen Schlafplatz und wurden zwischen dem Ytre Billefjord und Indre Billefjord in einem idyllischen Rentiergebiet fündig. Die Schiessanlage auf der anderen Strassenseite wirkte verlassen, wurde aber später mit gehisster roter Fahne doch noch ein Stündchen für Schiessübungen genutzt und wir brachten uns vorsichtshalber mit unseren Campingstühlen hinter der Schusslinie in Sicherheit. Da am nächsten Tag die Sonne den dichten Nebel wieder einmal nicht durchdringen konnte, beschlossen wir eine zweite Nacht anzuhängen. Wir bekamen nicht nur regelmässig Besuch von ein paar Rentieren, sondern auch von einem Küstensamen, der mit seinem Auto zu seiner Fischerhütte fuhr um die Fischernetze und Krabbenkörbe zu checken. Er hielt jedes Mal mit einer neuen Überraschung bei uns an. So kamen wir doch tatsächlich in den Genuss eines Königskrabben-Festessens, für welches wir im Restaurant beim Fischmarkt in Bergen ein kleines Vermögen ausgegeben hätten. Ein anderes Mal schenkte er unseren Jungs zwei Stangen eines Rentiergeweihs und sie hatten damit schon vier, da sie beim Durchstreifen des Birkenwäldchens auch schon zwei gefunden hatten. Nun hatten wir nicht nur zwei Ziegenhörner von der südlichsten Insel Gavdos, sondern auch noch Rentiergeweihe vom hohen Norden als besondere Souvenirs unserer Reise. Die Begegnungen mit dem Küstensamen waren zwar nicht lang, aber wir erhielten ein paar interessante Informationen zum lokalen Fisch- und Krabbenfang und waren erneut überrascht und beeindruckt von der Offenheit, Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft im hohen Norden. Insbesondere für die Menschen im hohen Norden oder in abgelegenen Gebieten schien es selbstverständlich zu teilen und sich gegenseitig zu helfen. Bei ihnen ist nicht alles 24 Stunden verfügbar und sie sind für verschiedene Güter und Dienstleistungen aufeinander angewiesen. Ein anderer Grund ist vielleicht auch, dass die Menschen genug Freiraum haben, ihr Leben in Ruhe und nach ihren Vorstellungen zu leben und sich über Gesellschaft freuen, der sie nicht ungewollt tagtäglich ausgesetzt sind. Ich spürte in Gesprächen ihre Verbundenheit zur Heimat, die ich so nicht kenne. Aber ich bin glücklich und dankbar mit meiner Familie immer wieder Plätze auf dieser Welt zu finden, an denen ich mich wohl, glücklich und zuhause fühle und freue mich noch mehr dieser Orte für eine kürzere oder längere Zeit entdecken und geniessen zu dürfen. Für uns ist das schönste Zuhause kein bestimmter Ort, sondern die ganze weite Welt.



Bevor wir Norwegen verliessen, verabschiedeten wir uns bei Trollholmsund von den norwegischen Trollen, deren Geschichten uns durch das ganze Land begleitet hatten und welche dort versteinert als spezielle Felsformationen neben einem wunderschönen Strand besucht werden können.



Kurz vor der Grenze nach Finnland erhielten wir in Karasjok im kleinen, aber feinen Samimuseum weitere interessante Einblicke in dieses naturverbundene und friedliebende indigene Volk Nordskandinaviens. Nach einem letzten Einkauf von uns mittlerweile vertrauten, norwegischen Produkten verliessen wir Norwegen, aber noch nicht das „Land der Samen“ und ihrer Rentiere und freuten uns auf weitere tierische und menschliche Begegnungen in Finnisch Lappland.



 
 
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