Herbstausflüge in der Schweiz
- Ursina Candraja
- 18. Nov. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Nach zwei Monaten zu Hause war es für uns höchste Zeit wieder einmal ein paar Nächte in unserem kleinen Zuhause auf dem Autodach zu schlafen. Da wir im Oktober in den Schulferien aber nur eine Woche Zeit hatten und nicht zwei Tage davon nur mit Autofahren verbringen wollten, genossen wir den Herbst in der Schweiz. Wir versuchten dem schönen Wetter zu folgen, was uns aber nur teilweise gelang, da ein paar Regenfronten so gross waren, dass sie über die ganze Schweiz hinwegzogen. Wir begannen unsere Reise im Tessin und fuhren über einen Umweg und mit Zwischenhalten auf dem Sustenpass und im Berner Oberland wieder nach Hause. Und weil das Wetter im Herbst immer schöner wurde, packten wir für das verlängerte Allerheiligen-Wochenende nochmal unseren Kofferraum und fuhren ins sonnige, aber in der Nacht eiskalte Engadin.

Tessin
Die Nächte verbrachten wir auf einem grossen Campingplatz in Locarno am Lago Maggiore. Unsere Kinder hatten das Fotografieren anscheinend noch mehr vermisst als wir und machten sich mit unseren Fotokameras bewaffnet auf die Jagd nach spannenden Motiven. Manchmal muss man gar nicht so weit gehen um ein gutes Bild zu knipsen.
Trotzdem wollten wir noch mehr von der leider nicht ganz so sonnigen Sonnenstube der Schweiz sehen. Am Samstag fand an der Seepromenade von Ascona das Kastanienfest statt und trotz Regenwetter liessen es sich zahlreiche Besucher nicht entgehen durch die Marktstände zu schlendern und die frisch zubereiteten Marroni zu kosten.
Am nächsten Tag zog es uns in die Höhe und wir erreichten mit dem Bus Orselina und mit einer Seilbahn und einem Sessellift Cardada Cimetta, den Hausberg von Locarno. Von dort konnten wir nicht nur ein wunderbares Panorama geniessen und Gleitschirmflieger beim Abflug beobachten, sondern sowohl den tiefsten (Lago Maggiore) als auch den höchsten Punkt (Dufourspitze) der Schweiz sehen.
Bevor wir das Tessin verliessen, machten wir einen Halt in Monte Carasso bei Bellinzona um endlich die Tibetische Hängebrücke Carasc, von der wir schon mehrmals gehört hatten, zu besuchen und zu überqueren. Wir bekamen zumindest für die Bergfahrt noch Plätze in der kleinen alten Seilbahn, welche nur acht Personen transportieren kann. An der Zwischenstation stiegen wir bei einer kleinen Plattform auf einer hohen Stütze aus und liefen durch Kastanienwälder an der Kirche San Bernardo vorbei in etwa einer Stunde zur 270m langen Hängebrücke. Wir folgten dem Wanderweg auf der anderen Seite der Hängebrücke weiter und füllten uns beim Abstieg alle unsere Säcke noch ganz mit den unzähligen am Boden liegenden Marroni.

Sustenpass
Eigentlich wollten wir gar nicht über den Sustenpass, was aber nicht heissen soll, dass uns dieser Pass nicht gefällt. Ganz im Gegenteil verbinden wir mit ihm schöne Erinnerungen. Unterhalb der Passstrasse haben wir im Coronajahr 2020 nach dem Aufstieg zur Sustlihütte über den Leiterliweg eine unserer ersten Nächte in unserem Dachzelt geschlafen. Patrick hat für Milchstrassenaufnahmen auf dem Sustenpass auch schon ganz ohne Zelt biwakiert. Aber genau weil wir diesen Pass ja schon kannten, wollten wir eigentlich über den Nufenenpass in Richtung Berner Oberland fahren. Wegen einer Baustelle und der unklaren Signalisierung (oder weil wir einfach die Ausfahrt verpasst haben), sind wir aber ungewollt im Gotthard-Tunnel gelandet und so schön, dass wir den Tunnel nochmal in umgekehrter Richtung durchfahren wollten, war er jetzt doch nicht. Aber wenigstens hatte es keinen Stau und schon bald fuhren wir über den Sustenpass, um uns einen Platz für unser Nachtlager zu suchen. Oberhalb der Baumgrenze oder an Passstrassen lässt sich in der Schweiz, gegenüber anderen Plätzchen, häufig problemlos die Nacht verbringen und wenigstens eine Nacht wollten wir wiedermal ganz ohne Nachbarn schlafen. Unser Traumplatz mit traumhafter Aussicht war aber leider allzu windig und so klappten wir unser Zelt weiter unten am Fluss an einer windgeschützten Stelle auf und brieten uns zum Abendessen noch einen Schirmling, den wir neben der Tibetischen Brücke gefunden hatten und seinen Transport im Rucksack halbwegs gut überstanden hatte.
Berner Oberland
"Ja z Oberland, ja z Oberland, z Berner Oberland isch schön…" Also mir läuft ja immer dieses Lied nach, sobald ich an das Berner Oberland denke. Ja, und das Berner Oberland ist wirklich schön. Sonst würde es wohl kaum täglich von Horden asiatischer Touristen aufgesucht werden. Wir waren im Gegensatz zu vielen Asiaten noch nie in Grindelwald und Lauterbrunnen, geschweige denn auf dem Jungfraujoch. Ich wagte es im Internet den Preis für eine Fahrt auf das Jungfraujoch für unsere Familie berechnen zu lassen, aber 500 Fr. war uns das „Top of Europe“ dann doch nicht wert. Wenn es jetzt wirklich der höchste Punkt Europas wäre, hätten wir uns das Ganze nach unserer Reise vom südlichsten zum nördlichsten Punkt Europas vielleicht nochmals überlegt, aber so beliessen wir es dabei uns die Ausgangspunkte anzusehen. Im Zentrum von Grindelwald fand gerade eine Viehschau statt und wir liessen es uns auch nicht entgehen die schönsten Kühe der Region in Augenschein zu nehmen.
In Lauterbrunnen erinnerte uns der Staubbachfall, der am Rand des Dorfes eine hohe Felswand hinabstürzt, ein wenig an Norwegen und von der Staubbachgalerie konnten wir die Wasserstaubfontänen auch noch von der Rückseite aus nächster Nähe beobachten.
Nach einer Schiffrundfahrt auf dem Brienzersee verbrachten wir die letzten zwei Nächte unserer kleinen Rundreise in Brienz auf dem Camping Aaregg, der nicht besser gelegen sein könnte und eine wunderschöne Aussicht auf den See bietet.
Unseren zweiten Tag in Brienz begannen wir mit einem Spaziergang im kleinen Tierpark und nahmen dann den Bahnersatzbus nach Meiringen um die beeindruckende Aareschlucht zu besichtigen, was auch bei Regen problemlos möglich ist und bei dieser Witterung sogar als noch schöner angepriesen wird.
Bevor wir vom Bahnhof wieder zum Campingplatz liefen, erkundeten wir das Städtchen Brienz und wurden von einer jungen Holzschnitzerin in ein kleines Atelier gewinkt, wo sie uns ihr Handwerk und ihren aktuellen Auftrag zeigte. An der Promenade fanden Patrick und ich ein Fotomotiv nach dem anderen und unsere Kinder konnten sich mit Wasserspielgeräten, Geschicklichkeitsspielen und auf Klettertürmen die Zeit vertreiben.
Zum Abschluss unserer Ferienwoche besuchten wir das weitläufige Freilichtmuseum Ballenberg, wo wir nicht nur traditionelle Berner Häuser, sondern alte Bauern-, Wohn- und Gewerbehäuser aus der ganzen Schweiz von aussen und innen betrachten konnten. Spannend waren die Vorführungen wie Töpfern und eine von einem Wasserrad betriebene Säge.
Engadin
Bei strahlend schönem Wetter fuhren wir am 1. November über den Flüelapass ins Engadin auf den Camping Morteratsch, auf dem wir in der Nebensaison bereits zweimal ohne Reservierung problemlos einen Stellplatz bekommen hatten. Wir waren gar nicht auf die Idee gekommen, dass hundert andere Camper für das verlängerte Allerheiligen-Wochenende die gleiche Idee haben könnten wie wir, mit dem Unterschied, dass sie reserviert hatten. Zum Glück fanden wir auf dem Camping Chapella noch eine Schlafmöglichkeit und durften obendrein diesen idyllischen und unkomplizierten Naturcampingplatz mit zahlreichen Feuerstellen kennenlernen. Ohne das abendliche und morgendliche Feuer hätte ich meinen Schlafsack wahrscheinlich nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang nicht verlassen, auch wenn es im Dachzelt nicht wirklich viel behaglicher war und sich über Nacht zum ersten Mal sogar Eis darin bildete.

Vom Camping machten wir einen schönen Spaziergang ins Seitental Val Susauna, in dem die Lärchen noch mehr gelbe Nadeln trugen als erwartet, aber das leider unerwartet schon am frühen Nachmittag im Schatten lag. Vor der Heimreise genossen wir die letzten Sonnenstrahlen im Engadin unterhalb des Albulapasses und freuten uns als wir unter einem Bänkchen einen selbst gestrickten "Glückswurm" fanden. Vielen lieben Dank für diesen Glücksmoment und herzigen Glücksbringer!

Auch wenn es uns spätestens nächsten Frühling sicher wieder in die etwas weitere Ferne zieht, gibt es auch in der Nähe noch eine Menge für uns zu entdecken. Mit dem Dachzelt und unserer Ausrüstung sind wir für kürzere Ausflüge schnell parat. Da wir dieses Jahr auch in den Wintermonaten, die in den letzten Jahren gar nicht mehr so winterlich waren, nicht auf solche kleinen Auszeiten verzichten möchten, haben wir beschlossen unser Dachzelt das erste Mal auch über Winter auf dem Autodach zu lassen und sind selber schon gespannt, ob und wie es mit dem Wintercamping klappt.