Eiskalte Nächte im Dachzelt
- Ursina Candraja
- vor 6 Tagen
- 5 Min. Lesezeit
Kann man auch bei Minusgraden im Dachzelt schlafen? Ja, sicher.
Ist das nicht kalt? Mit einem dicken Schlafsack und einer Wollmütze geht es.
Macht das denn Spass? Ja, aber bei wärmeren Temperaturen ist es noch schöner.
Auch wenn wir die meisten Dachzeltausflüge in den wärmeren Monaten unternommen haben und nach Möglichkeit vor Kälte, Regen und Schnee geflohen und der Sonne gefolgt sind, haben wir doch schon ein paar Nächte bei Minusgraden überstanden und sogar genossen.
Schnee im Engadin
Bereits in unserer allerersten Dachzeltsaison vor fünf Jahren landeten wir im Schnee. Uns war zwar bewusst gewesen, dass es im Engadin kalt werden würde, aber nicht, dass auf dem Campingplatz Morteratsch schon Schnee lag und so mussten wir uns erstmal in Pontresina auf die Suche nach richtigen Winterstiefeln für die Kinder machen. Daraus haben wir gelernt von Herbst bis Frühling nicht nur den aktuellen Wetterbericht zu checken, sondern vor allem in etwas höheren Lagen auch mit Schnee zu rechnen. Warme Kleider hatten wir zum Glück zur Genüge mitgenommen und auf dem Campingplatz hatte es ausreichend Holz um Feuer zu machen. Wir mussten die vereisten Holzscheite allerdings zuerst auf dem Grillrost ein wenig auftauen. Das Abendessen und Frühstück genossen wir abwechselnd an unserem kleinen Campingtisch neben der Feuerstelle und im Aufenthaltsraum. Für solche Räume, die manchmal sogar noch eine Kochgelegenheit bieten, waren wir schon auf vielen Campingplätzen dankbar, da das Schlafen im Dachzelt bei schlechtem Wetter und sogar Temperaturen bis -10 °C eigentlich das kleinste Problem ist und wir - oder vor allem ich - mehr mit kalten, nassen und stürmischen Abenden und Morgen draussen zu kämpfen haben.
Weihnachtsmarkt zu zweit
Dieses Jahr haben wir unser Zelt zum ersten Mal den ganzen Winter auf dem Autodach gelassen, weil wir nicht monatelang auf unsere kleine Oase verzichten und ausprobieren wollten, ob wir auch in den kältesten Monaten mit unserem Dachzelt happy sind. Anfang Dezember bot sich Patrick und mir die erste gute Gelegenheit für einen Wochenendausflug und das ausnahmsweise nur zu zweit. Die Kinder waren in einem Pfadiwochenende und wir fuhren nach Lindau auf einen der wenigen Campingplätze, welcher die Saison noch nicht beendet hatte. Am Nachmittag schlenderten wir gemütlich durch den Weihnachtsmarkt am Hafen und im Anschluss besuchten wir bis um Mitternacht die Therme. Die Discomusik im Bad war etwas gewöhnungsbedürftig, aber im Spa fanden wir Ruhe. Aufgewärmt verkrochen wir uns danach in unser Dachzelt, das für zwei Personen riesig ist. Wir konnten von den Winterstiefeln bis zum dicken Wintermantel alles ins Zelt nehmen und uns am nächsten Morgen schön warm einpacken, bevor wir uns wohl oder übel über die gefrorene Leiter wieder in die Kälte hinausbegeben mussten. Nach einem ausgiebigen Brunch in der super gemütlichen Café-Bar Melbos, welche zu Fuss nur ein paar Minuten vom Park-Camping entfernt ist, machten wir uns erholt und gestärkt auf den Heimweg.
Patrick hatte die Kamera natürlich dabei um vom Weihnachtsmarkt und Hafen von Lindau ein paar Fotos zu machen, aber hat sie doch tatsächlich aus Versehen gelöscht. Deshalb können wir leider nur unsere wenigen Natelbilder teilen.
Das perfekte Ende eines unglaublichen Dachzeltjahrs
Nachdem wir im Jahr 2024 etwa einen Drittel der Nächte im Dachzelt geschlafen hatten, passte es einfach das Jahr im Dachzelt zu beenden, auch wenn es definitiv die schlechteste Zeit zum Zelten war. Silvester ist nicht nur in einem der kältesten Monate des Jahres, sondern es liegt in höheren Lagen auch noch Schnee, es wird sehr früh dunkel und es stehen wirklich nicht viele Plätze zur Auswahl. Auch die Campingplätze mit einer kürzeren Winterpause legen diese verständlicherweise über die Feiertage. Unsere anfängliche Idee wild zu campen hatten wir verworfen. In der Schweiz gibt es nicht so viele Möglichkeiten dafür und die meisten dieser Möglichkeiten liegen über der Baumgrenze oder zumindest in der Höhe. Ausserdem wäre der Abend irgendwo abseits der Zivilisation sehr lang geworden, da es ab fünf Uhr bereits stockdunkel war. Zum Glück ergatterten wir noch einen Platz auf einem der zwei offenen Campingplätze im Tessin und konnten am See bei einem kleinen Apéro sogar ein wenig Sonne tanken. Dann ging es mit dem Zug nach Lugano zu einem Stadtspaziergang und in eine Pizzeria. Zurück auf dem Camping machten wir am See in unserem Miniklappgrill ein kleines Feuer und hielten nach Raketen Ausschau, die rund um den See in den Himmel geschossen wurden. Ein richtiges Feuerwerk durften wir am 1. Januar in Ascona bestaunen, nachdem wir das erste Mal mit Glace auf das neue Jahr angestossen hatten.
Frühlingsgefühle in den Wintersportferien
In den nächsten Schulferien Ende Februar war es dann endlich wieder soweit und wir verbrachten die erste “wilde“ Nacht im 2025 auf einem unserer Lieblingsschlafplätze, den wir noch ganz für uns alleine hatten. Auf dem Weg zum malerischen Obersee im Kanton Glarus hat es eine Ausstellbucht mit einem Unterstand, einer Feuerstelle und einem Bänkchen mit Aussicht über Näfels bis zum westlichen Ende des Walensees. Wir machten einen kleinen Spaziergang, spielten Karten, brätelten Würste und sassen am Feuer. Als wir im Dachzelt schon fast eingeschlafen waren, hörten wir wie aus dem Nichts unheimliche Schritte um unser Auto. Patrick machte sich in Boxershorts und mit der Stirnlampe bewaffnet auf die Suche nach dem ungebetenen Besucher, der sich als ein loser, flatternder Bändel des Dachzelts herausstellte. Nach einer von da an mucksmäuschenstillen Nacht durfte ich am nächsten Morgen beim Kaffeetrinken am Feuer endlich wieder dieses Gefühl von Freiheit, Ruhe, Zufriedenheit und Dankbarkeit geniessen, das bei mir in der Hektik des Alltags verloren geht und ich genau an solchen Plätze wieder finde.
Der Obersee ist zu jeder Jahreszeit ein Ausflug wert.
Unsere Tipps fürs Dachzelten bei kalten Temperaturen
Warme Kleider zum Schichten, Mütze, Handschuhe und Winterstiefel
Warme Schlafsäcke und zusätzliche Fleece-Innenschlafsäcke oder Decken
Bettflasche oder PET-Flasche als Bettfalsche zweckentfremden
Kleider oder zumindest die unterste Schicht über Nacht im Schlafsack an die Füsse packen, damit sie am Morgen zum Anziehen nicht eiskalt sind.
Wenn möglich einen Heizlüfter im Dachzelt aufhängen und die Kabelrolle oder ein genug langes Kabel nicht vergessen.
Campingplatz mit gemütlichem Aufenthaltsraum und Kochgelegenheit
Campingplatz reservieren, da für die steigende Nachfrage die wenigen offenen Winterplätze nicht immer genügend Plätze bieten.
Schlafplatz mit Möglichkeit zum Feuer machen suchen. Feuerschale oder Grill, genug Holz und Anzündwürfel mitnehmen.
Gaskocher und Thermobecher für Kaffe, Tee und Instantsuppe, um sich von Innen aufzuwärmen.
Eiskratzer für die vereisten Scheiben und Tuch zum Trockenen des aufgetauten Dachzelts
Unser Fazit zum Dachzelten im Winter
Am schönsten ist Camping mit dem Dachzelt bei vielen Sonnenstunden und warmen, aber nicht zu heissen Temperaturen. Kurze Ausflüge sind auch im Winter gut möglich und tun der Seele definitiv und dem Körper mehr oder weniger gut. Längere Winterferien wären ebenfalls machbar, aber da wir es vor allem geniessen draussen zu sein und nicht in Aufenthaltsräumen und Restaurants herumzusitzen, überlassen wir dieses Experiment gerne anderen und freuen uns, dass eine Fähre uns und unser Dachzelt schon bald in den Süden nach Barcelona bringt. In unseren Frühlingsferien werden wir einen kleinen Teil von Spanien und Südfrankreich bei hoffentlich frühlingshaften Temperaturen erkunden, milde Abende neben unserem Dachzelt und angenehm kühle, aber nicht eiskalte Nächte in unseren Schlafsäcken geniessen.